Königsteiner Woche, 08.12.2011
Königsteiner Woche Nummer 49 – Donnerstag, 8. Dezember 2011
Königstein (el) – Es sind Bilder, die betroffen machen, beschämen und anrühren. Und doch scheinen die Leiden der Leprakranken dieser Welt sehr weit entfernt von einem Städtchen im Taunus zu sein. Durch den St. Lazarus-Fonds Europe, der seit dem Herbst seinen Verwaltungssitz in der Villa Augusta in Königstein hat und weltweit tätig ist unter dem Dach der katholischen Kirche, rücken jedoch nicht nur die Bilder dieser schrecklichen Krankheit, die immer noch in Teilen der Dritten Welt dafür sorgt, dass Menschen von der Gemeinschaft abgeschnitten sind, in den Fokus.
Vielmehr werden hier wichtige Aufklärung und Hilfe geleistet, die auch ankommt. “In der Krankheit erfährt der Mensch ganz besonders die Bedürftigkeit. Gerade auch der Leprakranke ist auf die Hilfe der Mitmenschen angewiesen. Die Unterstützung ist vielfältig notwendig: Bei der Heilung, bei der Erforschung der Krankheit, bei der beruflichen Bildung, aber auch bei der Beschaffung von Nahrung, Kleidung und Unterkunft” – ein Zitat, das so vieles aussagt und zudem noch vom Schirmherrn des St. Lazarus-Fonds, Kardinal Lehmann, stammt, der den Fonds seit seiner Gründung 2001 in Königstein durch Hyung-Kun Peter Chung und Joachim Weil unterstützt. St.-Lazarus-Födervereine gibt es heute in Korea, den USA und Japan.
“Die Krankheit ins Bewusstsein der Menschen rücken” (laut Weltgesundheitsorganisation gibt es heute noch weltweit jährlich über 250.000 Neuerkrankungen) – diesen Grundsatz verfolgen Chung und Weil von Anfang an und fanden in der bekannten Opernsängerin Anna-Maria Kaufmann eine prominente Botschafterin, mit der sie erstmals 2005 beim zweiten Benefizkonzert des Fonds in Darmstadt zusammenarbeiteten.
2007 veranstaltete man eine Oper im Mainzer Staatstheater und konnte hierzu 1.300 Gäste begrüßen, die dazu beitrugen, dass die generierten Einnahmen einem Dorf im Sudan zugute kamen, in dem Leprakranke mit ihren Angehörigen leben. 2009 folgte eine vierte Veranstaltung – der Opernabend mit La Boheme in Wiesbaden. Die Hilfe, die im medizinischen und sozialen Bereich angesiedelt ist, setzt sich aus Spenden und den Mitteln aus den Veranstaltungen zusammen.
Mit dem Einzug in die Villa in Königstein boten sich auch neue Perspektiven für die Stiftungsgründer, die am vergangenen Freitag zu ihrem zehnjährigen Jubiläum mit Kardinal Lehmann und Anna-Maria Kaufmann prominenten Besuch in ihrem Verwaltungssitz empfingen.
Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem afrikanischen Kontinent. Der Hilfsgedanke von St. Lazarus stammt jedoch aus Korea, in der Nähe von Seoul. Dort gründete vor 60 Jahren ein Priester die erste Einrichtung ihrer Art – St.-Lazarus-Village. Aber auch in Asien, in Vietnam, ist die Krankheit nach wie vor ein Thema, das gerne mal unter den Teppich gekehrt wird.
Das mussten Chung und Weil vor einigen Jahren während ihrer ersten Reise nach Vietnam erfahren, als sie sich von Ho-Chi-Minh-Stadt auf eine zehnstündige Autofahrt begaben, um ein Dorf zu erreichen, in dem 1.400 Leprakranke leben. Vor Ort wurden sie von Parteifunktionären empfangen, die nicht etwa das Begrüßungskomitee bilden wollten. “Wir haben dann mit den Kranken und ihren Familien sprechen können und konnte uns ein Bild vor Ort machen”, erinnert sich Hyung-Kun Peter Chung.
Der erste Eindruck war erschütternd. Die Menschen zogen sich von den Fremden zurück, begaben sich in ihre dunklen Räume. Für Joachim Weil kam dann der “erwärmende Moment”, als sich die Menschen doch nach und nach öffneten.
Die dahinter stehende Problematik erklärt Weil so: Man solle nicht sehen, dass es solch “alte” Krankheit noch gebe. Mittlerweile hat der Fonds dafür gesorgt, dass im Dorf eine Schule gebaut werden konnte, und in der trockenen Gegend baute man auch einen Brunnen.
“Es ist gut und richtig, dass wir uns hier versammeln”, betonte Schirmherr Kardinal Lehmann anlässlich der Jubiläumsveranstaltung, die in einem sehr gediegenen und vorweihnachtlichen Rahmen ausgerichtet wurde. Die Fondsgründer könnten zu Recht stolz sein.
Die Krankheit Lepra habe schon zu biblischen Zeiten ihren Schrecken verbreitet und Kranke in schlimme Isolation getrieben, schilderte der Bischof von Mainz. Immer habe es jedoch Mutige gegeben, die sich den Kranken gewidmet hätten und so einen stillen Dienst an der Menschheit erwiesen hätten.
Die Unterstützung, die vom Lazarus-Fonds geleistet würde, sei vielfältig und vor allem setze sie an in einem überschaubaren Feld, so dass man hier etwas für die Kranken erreichen könne, lobte der Kardinal die geleistete Arbeit und überreichte den beiden Fonds-Gründern eine Urkunde. Auch der Kreistagsvorsitzende Manfred Gönsch (CDU) fand die richtigen Worte für die Hilfe beim Kampf gegen die Krankheit. Gönsch, der angab, einen persönlichen Bezug zu Afrika zu haben, dankte insbesondere dafür, dass ein Schwerpunkt der Arbeit in diesem Kontinent geleistet werde.
Die Krankheit stigmatisiert. Die grausamen Bilder von eitrigen, entzündeten Gliedmaßen brenne sich ins Gedächtnis. Die Krankheit sei jedoch nicht so ansteckend, wie viele vermuten, informierte Thomas Chung, der zusammen mit seinem Geschäftspartner Daniel Tögel die “neue Generation” beim St. Lazarus Fonds vertritt.
Die jungen Leute sollen Schwung in die Organisation bringen und St. Lazarus in eine neue Richtung führen, freute sich Hyung-Kun Peter Chung, dass es so gut bestellt ist um die Zukunft.
In Afrika habe sich leider das Verständnis für diese “Krankheit der Armen” nicht sehr viel gebessert, bedauerte Thomas Chung. Die Zustände würden durch mangelnde Hygiene und Armut begünstigt. Bei der Behandlung setze man auf eine Kombinationsherapie – genannt MDT – die Kranke binnen zwei Jahren genesen lassen könne. Im Sudan setzt man sich für das Dorf Tongji ein, in dem 700 Leprakranke leben.
Auch dies eine alarmierende Statistik: 90 Prozent der Dorfbewohner kennen ihr Alter nicht. Hier hat man eine Dorfschule errichtet, so dass 200 Kinder am Unterricht teilnehmen können, sowie den Getreideanbau unterstützt. Auch die Reise hierher ist beschwerlich und nimmt mehrere Tage in Anspruch.
“Macht hoch die Tür” oder “Vom Himmel hoch, da komm ich her” – wer kommt schon mal in den Genuss, ein Weihnachtslied mit Anna-Maria Kaufmann singen zu können? Die Gäste der Jubliäums-Veranstaltung werden diese Eindrücke mit nach Hause nehmen und darüber hinaus sicherlich nicht die Bilder vergessen, die sich ihnen eingeprägt haben in Verbindung mit dem Hilfsgedanken, der weltweit von St. Lazarus propagiert wird.